Schülerjahre:  Reisen mit Hindernissen

Die Eltern verfolgten die Nachrichten im Radio. Es tat sich was in der politischen Landschaft. Die Währungsreform ließ die Schlangen vor den Läden und auch die Lebensmittelkarten verschwinden.

Es war an der Zeit, sich um ein Besuchervisum in Holland zu bemühen. Lang war sicher der Planungsweg. Aber irgendwann kam ich nach Haus, wurde umarmt und es hieß: wir fahren zu Oma und Opa nach Holland! Das war besonders schön, denn jetzt konnten wir offiziell und allesamt die Reise antreten. Bestimmt hatte es sich bald in der Nachbarschaft herumgesprochen, dass wir ins Ausland fahren!

So aufregend und kompliziert war es dann auch. Die Bahnreise benötigte Geduld und viel Zeit. Gewiss war die Beobachtung aus dem Zugfenster für einen Jungen ein besonderes Erlebnis. Doch wurde mir als Kind auch die Kleinheit vor einer Behörde klar gemacht und ist in mir bis heute haften geblieben.

Ein Omnibus fuhr vom Bahnhof zur Grenzstelle. Dort stiegen wir mit unserem Gepäck aus und wanderten auf die Zollgebäude zu. Viele Uniformierte schauten zu. An einem Tresen, ich konnte gerade so hinüberschauen, wechselten die harschen Worte der Beamten mit denen der Eltern. Nach einiger Zeit wurden die Koffer auf den Tresen gewuchtet und geöffnet. Die Männer schauten hier und da unter die Mitbringsel und zwischen der gestapelten Wäsche. Vater musste seinen Füllfederhalter öffnen, der Beamte hielt ihn gegen das Licht. Wortlos gab er ihn zurück. Mein Vater hatte sich für die Reise einen Fotoapparat angeschafft. Selbst in die Bereitschaftstasche kam ein Stempel der Dienststelle und wurde im Paß vermerkt!

Auf der holländischen Seite ging es fast unauffällig zu. Hier ein Stempel, da eine Notiz und fertig!

Wie bunt auf einmal die Welt erschien. Die Backsteinhäuser hatten ihre freundlich weißen Dachabschlüsse und Fensterrahmen, bunte, pastellfarbene Leuchtreklamen luden zum Ferienmachen und Wohlfühlen ein. In der Tat, die Ferien konnten beginnen. Die etwa 2-stündige Busfahrt verging wie im Flug.

In den folgenden Jahren wurde die Ausreise immer einfacher. Doch die Rückreise, die Einreise nach Deutschland blieb für viele Jahre ein Albtraum. Wieder fühlte ich mich wie ein Winzling vor einer riesigen Gewalt. Habe ich etwas unwissentlich falsch gemacht, darf ich die Schallplatten mitnehmen oder sind gar 200 Gramm statt 500 Gramm Tee zollpflichtig? Bis heute überkommt mich ein dumpfes Gefühl, wenn ich solche Ort überquere!

Die Reiseziele änderten sich allmählich. Erst mit 15 Jahren sah ich die Nordsee. Als ich durch die Dünen ging und sich das Meer plötzlich auftat, war es für mich irgendwie vertraut. Hatte ich doch schon viele Abbildungen gesehen, so dass es keine echte Überraschung mehr war.

Eingeprägt haben sich zwei Reisen nach Norwegen, die ich mit meinem Vater im Auto unternahm. Hier beeindruckte mich die Größe und Mächtigkeit der Landschaft und des Meeres.